Ein gutes Arbeitsleben liegt hinter mir. Nun mache ich Messer. Nur aus Freude. Darum müssen meine Messer auch nur mir gefallen! Messer können ästhetisch sein. Sie sind nicht nur Werkzeug, häufig eher Spielzeug, sondern sie taugen auch als Kunstobjekt. Ich möchte das Schöne der Farben, Formen und Materialien erspüren. Ich lasse mich gerne durch Skizzen, Fotos und Beschreibungen von Kunden inspirieren, möchte aber keine konkreten Aufträge erledigen. Wenn ein Messer herauskommt, das dem Kunden gefällt, ist es gut. Wenn nicht, wird es einen anderen Liebhaber finden.
Auch möchte ich keine Terminverpflichtungen mehr eingehen. Irgendwann ist das Messer fertig. Häufig früher als gedacht. Kein sehr professionelles Geschäftsmodell? Vielleicht nicht. Aber ich hoffe, dass meine Freude an der Arbeit und mein Suchen nach dem Schönen erkennbar sind in meinen Messern. Dann lohnte sich diese Einstellung doch wieder für meine Kunden.
Der „Amator“, der Liebhaber also, hat dem Amateur seinen Namen gegeben. So gesehen lege ich sehr großen Wert darauf, Amateur zu bleiben. Wenn es mir keinen Spaß mehr macht, höre ich sofort auf. Dennoch betreibe ich meine Messerschmiede als angemeldetes Kleingewerbe, das nicht als Liebhaberei zu verstehen ist, sondern als ein auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen. Es gibt einige sehr gute professionelle Messermacher, die wunderbare Ware anbieten, und die damit den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien verdienen. Ich möchte nicht auf diesem Markt auftreten mit Dumping-Preisen. Es hatte mich ein wenig erschreckt, als ich gewahr wurde, dass Messermacher zwar eine relativ seltene Spezies sind, jedoch kaum einen Arbeitslohn erwirtschaften wie Handwerker „üblicher“ Lehrberufe.
Die Preise für handgemachte Messer sind für Außenstehende nicht einfach nachzuvollziehen. Sehr gut funktionierende Fabrik-Messer können gestanzt, maschinell angeschliffen und mit angegossenem Kunststoffgriff versehen werden. Große Maschinen, große Stückzahlen, kleine Preise.
Aber auch bei Custom-Knives gibt es sehr große Unterschiede im Herstellungsaufwand und in der Herstellungsqualität. Sie können aus Flachstahl geschnitten, mit Schleiffasen und dann mit zwei Griffschalen versehen werden. Diese Messer entstehen binnen eines Tages.
In Messerbaukursen, die wie Pilze aus dem Boden sprießen, können auch handwerklich Unbedarfte sich selbst solche Messer bauen. Gerade bei diesen sehr einfach aufgebauten Modellen ist der Anfänger vom Meister zu unterscheiden. Es gibt also meisterliche, wunderschöne, in ihrer Bauart sehr einfache und wenig aufwändige Messer. Auf den ersten Blick mag der Laie den Unterschied zu den deutlich teureren, da komplizierteren Arbeiten kaum bemerken. Dies wird auch der Grund sein, warum es wirtschaftlich interessanter ist, möglichst einfache Messer anzubieten. Der Markt ist größer.
Ich gehe einen anderen Weg.
Wenn ich beispielsweise ein praktisch vollkommen überflüssiges Parierelement aus Bronze herstelle, benötige ich dafür allein ein bis zwei Tage: Form aus Wachs modellieren, mit Guss- und Entlüftungskanälen versehen, in Einbettmasse gießen, diese im Elektroofen brennen. Parallel dazu Bronze schmelzen, Gießvorgang, abgekühlten Guss von den Kanälen befreien, putzen, anpassen, patinieren, montieren. Allein das Anpassen kann einen halben Tag und mehr fordern. Und es passiert immer wieder, dass ein Guss misslingt. Da es sich hierbei aber um das Verfahren nach dem „Prinzip der verlorenen Form“ handelt – das Wachsmodell ist verbrannt – fängt man in diesem Fall erneut beim Modellieren der Wachsform an.
Für die Herstellung der Mokume-Gane-Barren benötige ich ebenso einen ganzen Tag. Ich erfreue mich an der Herstellung. Ich möchte das fertige Mokume nicht kaufen. Auch dieser Teil der Messer soll meine Handarbeit sein – aus Freude eben.
Ich liebe es manchmal farbig. Gibt es sonst noch Messer mit bunt anodisiertem Niobium? Ich habe bislang keines gesehen. Anodisierte Titanflächen kennt man. Aber gibt es anderswo bunt anodisierte, kleine Skulpturen an Messern? Für Hinweise wäre ich dankbar. Als ich im Frühjahr 2021 den ersten meiner Niobium-Käfer als Griffkappe der Szene vorgestellt habe, wurde ich jedenfalls überrascht durch die Kommentare, dass dieses ein Alleinstellungsmerkmal sei. Das freut mich natürlich. Die Herstellung eines Niobium-Skarabäus braucht aber fast die Zeit wie die Herstellung eines einfachen Stock-Removal-Messers. Wer bezahlt schon gerne für einen Käfer so viel wie für ein ganzes Messer?
Der praktisch völlig unnütze Hamon, also die Härtelinie, stellt nicht nur eine handwerkliche Herausforderung dar, die nicht alle Messermacher beherrschen, verschlingt nicht nur viel Zeit, sondern macht die ganze Angelegenheit auch jedes Mal zu einer Zitterpartie, die viele Messermacher nicht mitspielen wollen: In einer „Spezialschublade der Niederlagen“ liegen etliche Klingen von mir mit dramatisch-schönen Hamons … und Rissen. Klingen, die den besonderen Stress der Hamon-Härtung nicht überstanden haben.
„Sicherheits-Hamons“, also Hamons, bei denen man so wenig Risiko wie möglich eingehen will, sind selten wild, dramatisch, aufregend. Da der Härteprozess zum Erzeugen einer Hamon aber erst nach vielen Arbeitsstunden an der Klinge erfolgt, kann schnell bis zu einer Woche Arbeit dahin sein. Selbst die ältesten und besten Hasen haben dann kein Mitleid. „Normal. Muss man sich dran gewöhnen. Ist nunmal so! Ausschuss ist immer!“, sagen sie dann. Diese Quote ist Teil der dann aber gelungenen Messer. Je nach Risiko verwerfe ich jede fünfte bis zweite Klinge. Gerade wenn eine besonders aufwändig geschmiedete und gefeilte Klinge zum Härten ansteht, muss man sich fragen, ob man nun „alles“ will und dabei auch alles riskiert oder ob man lieber feige ist und sich mit weniger Hamon zufrieden gibt. Ich bin risikofreudig. Wenn die Klinge ganz geblieben ist, beginnt das Schleifen, dann das Ätzen, dann das Polieren. An dieser Stelle muss ich eine kleine Beichte ablegen: Ich finde diese stundenlangen oder gar tagelangen Schleif- und Polierarbeiten an den Hamons furchtbar! Hier versuche ich dann doch nicht „alles“. Aber ein Tag zum Schleifen und ein Tag zum Ätzen und Polieren pro kleiner Klinge sind es dann doch. Keine Fingersteine. Puristen der japanischen Schwertbaukunst werden mich jetzt verachten. Der Kenner sieht dennoch einen großen Unterschied zur Maschinenpolitur. Zwischen einer Maschinen-Monostahl-Klinge ohne Härtelinie und einer mit Hamon und Handpolitur liegt schnell eine halbe bis ganze Woche Arbeit. Nichts für die Nützlichkeit. Alles nur des Schönen Wille.
Damast oder Hamon? Damaszener-Stahl hat heutzutage keine besseren Eigenschaften als ein Monostahl. Mit einer Ausnahme: Er kann schöner sein. Das reicht. Für Damaszener-Stahl wie für den Hamon gilt: Nützlich ist das nicht! Aber Schönheit ist sinnvoll in sich selbst. Kunst ist sinnvoll in sich selbst. Das beste Fleischermesser aus Massenproduktion schafft es nicht, mit so viel Glanz in den Augen angeschaut zu werden wie das keineswegs praktischere Custom-Knife. Für mich war lange Zeit der Damaszener-Stahl das Faszinierendste an den Messern. Aber Geschmack kann sich ändern. Und man kann nicht über ihn streiten. Vielleicht habe ich mir Damaszener-Stahl ein wenig „übersehen“. Vielleicht stört mich auch, dass es mit Hammer und Amboss kaum herstellbare Damaszener-Klingen aus industrieller Fertigung gibt. Hier wird ein unglaublich hohes Maß an Zeit, Kraft, Schweiß und Präzision sekundenschnell durch Maschinen ersetzt. Vielleicht stört mich auch, dass der Markt überschwemmt ist mit minderwertigen und zusammengerotzten Damaszener-Stahl-Messern der 49,95-€-Klasse. Ich empfehle daher jedem, der ein hochwertiges und besonderes Damaszener-Messer haben möchte, sich in die Thematik einzustudieren. Wir haben sensationell gute Damaszener-Schmiede. Ihre Muster sind handwerkliche Meisterleistungen, vor denen ich mich nur tief verbeugen kann. Es gilt, deren Arbeit zu identifizieren und zu würdigen!
Ich selbst bin – wie gesagt – „auf den Hamon gekommen“. Ich finde ihn in seiner Zartheit wunderschön. Er spielt mit dem Licht. Er scheint dreidimensional. Er ist nicht aufdringlich, sondern will, dass sich das Auge um ihn bemüht. Dann aber ist er absolut individuell. Der Schmied kann ihn niemals genau so reproduzieren. Der Stahl redet immer ein Wörtchen mit. Er überrascht beim Polieren jedes Mal. Und maschinengefertigte Hamons gibt es nach meinem Kenntnisstand im Gegensatz zu Damaszener-Stahl nicht. Es ist immer Handarbeit. Allerdings werden Hamons inzwischen gefälscht, bzw. durch Fake-Ätzungen imitiert.
Ich möchte keine Messer aus Flachstahl herstellen. Diese können sehr schön sein. Gar keine Frage! Ich bevorzuge aber Halbintegrale. Dafür schmiede ich aus 30-mm-Rundstahl die Klinge mit dem Ricasso. Auch hier ist zu bemerken: Kein Messer muss eine Halbintegralbauweise haben um zu funktionieren. Flachstahlklingen können präzise abgerichtet und dann mithilfe von Anschlägen definiert ausgeschnitten und beschliffen werden. Ich aber forme zunächst aus einer kurzen Stahlwalze mit Feuer, Amboss und Hammer ein Werkstück, das dann keine parallelen oder rechtwinkeligen Referenzflächen für etwaige Anschläge wie den Schleiftisch aufweist, so dass die weitere Bearbeitung dort noch frei Hand und „mit Auge“ geschieht, wo die Flachstahlklinge eingespannt und mit Schleif-, Bohr- und Fräsvorrichtungen µ-genau maschinell bearbeitet werden kann.
Man kann die Messergriffe mit Parierelement, Spacer und Kappe auf den Stahl bringen und dann alles zusammen sauber planschleifen. Gute, schöne und saubere Arbeit. Ich bevorzuge es aber, wenn zwischen diesen Bauteilen kleine abgerundete Stufen sind. Völlig unnütz, ein weiterer Schwierigkeitsgrad und auch wieder arbeitsaufwändig. Ich finde es einfach schöner und „wertiger“.
Dies sind nicht die einzigen „künstlichen Probleme“, die ich mir beim Messerbauen mache.
Ich las von Messern, in denen 600 bis 800 Stunden Arbeit stecken. Hier hauptsächlich Gravurarbeiten, Gold-Einlegearbeiten und andere Goldschmiedetechniken. Das sind Extreme. Für ein einfaches Stock-Removal-Messer wird man je nach Größe ein bis zwei Arbeitstage veranschlagen können. Meine geschmiedeten Halbintegrale brauchen zwei bis vier Wochen. Dann muss man über die Materialien sprechen. Damit ist der Käufer beschrieben: Er gibt viel Geld aus für ein Spielzeug?, für Kunst?, für Luxus! Man kann es auch anders sehen: Das Kochen mit guten und scharfen Messern ist Weg und Ziel gleichzeitig. Es ist Freude. Sich mit stumpfen Messern beim Zubereiten des Essens herumzuquälen ist dagegen schnöde Arbeit. Man kann sich auf den Weg freuen: das Kochen, Aufbrechen von Wild, Schnitzen – wenn man Freude am Umgang mit dem Messer hat. Und man kann schnöde Arbeitsleistung abdienen, wenn die Tätigkeit nicht gefällt. Ein schönes Messer ist also mehr als ein Luxusartikel. Wie ein gutes Auto, das sicherer ist als das einfache. Wie gute Schuhe nicht nur schöner sind, sondern auch bequemer als die billigen. Wie ein guter Füllfederhalter, mit dem man die Zeremonie lieber besiegelt als mit dem Werbe-Kuli. Man kann sich über ein schönes Messer einfach freuen wie über ein Schmuckstück. Diese Freude ist Geburtshelfer der Messerschmiede.
So unnötig aufwendig meine Messer auch sein mögen, die dazugehörigen Scheiden halte ich gerne eher einfach. Auch dies hat schlicht mit meinem Schönheitsempfinden zu tun. Sehr verzierte Messerscheiden wirken auf mich schnell etwas kitschig. Aber auch dies ist natürlich wieder Geschmackssache.
Meine bunten Käfer und meine Kupfer-Silber-Mokume-Beschläge mögen auf manchen etwas kitschig wirken. Egal. Wie gesagt, ich leiste es mir, nur zu bauen, was ich schön finde. Und manchmal darf dies gerne hart neben dem Kitsch stehen.
Messer sind die ersten Werkzeuge der Menschheit. Werkzeuge bedeuten Macht! Man wird zum Macher. Man hat Macht über Materialien, die man ohne Werkzeug nicht zerteilen und verwenden könnte. Man hat Macht über Tiere, die man nun töten und verspeisen kann. Als Macher, der Nahrung beschaffen und vor Angriffen die Sippe beschützen kann, bekommt man eine höhere soziale Stellung und dort mehr Macht. Man wird sexy, weil man die Brut beschützen und ernähren kann. Das sind unsere seit Menschheitsbeginn selektierten genetischen Wurzeln. Die heutige Form ist der Sexappeal des Geldes. Auch mit Geld wird man „Macher und Versorger“ und steht gesellschaftlich oben (was auch immer dies heißen mag!). Die archaische Form heutzutage sind Muskeln und Bowie-Knives. Kein Wunder, dass Crocodile Dundee („Das soll ein Messer sein?“) so gut funktioniert: Er surft auf einer uralten Welle unserer Evolution! Schocker-Messer gehen gut. Groß, martialisch, Skulls. Das verstehe ich. Das eine oder andere große Weidblatt habe ich gebaut und werde es wohl noch bauen.
Vielleicht kommt auch einmal ein Bowie dazu. Aber ästhetischer, etwas ruhiger und leiser finde ich die kleineren Formen. Vielleicht liegt das am Alter. Ich hatte mir als Kind die Nase an der Schaufensterscheibe plattgedrückt, wenn sich dahinter das Puma White Hunter befand. Später hatte ich es und war enttäuscht. Es hat eine ganz schlechte Schneidperformance, weil die Klinge so dick ist. Ich möchte lieber feine Schneidwerkzeuge herstellen. Mich fasziniert Schneidfähigkeit. Mit den starken Messern kann man keinen Apfel schneiden. Man kann Haare rasieren, weil man dafür keine Schnitttiefe braucht. Man kann Holz mit ihnen spalten. Dafür nehme ich ein Beil. Aber der Apfel platzt nur auseinander. Outdoor-Messer mag ich eigentlich nicht als Werkzeug. Mitunter wähle ich für meine Messer allerdings doch einen sehr breiten Rücken, um dort wiederum praktisch vollkommen unnötige aber schöne Kannelierungen anbringen zu können. Dann entstehen Klingengeometrien, wie sie für Outdoor-Messer nötig sind. Ich ziehe die Primärfase bis hoch zum Rücken, weil mich eine Schleifkante, die durch den Hamon führt, stört. Ich will für den Hamon eine ungeteilte Fläche haben. Zudem bestimmt der Winkel der Primärfasen die Schneidfähigkeit. Ein Flachschliff mit einer bis zum Rücken reichende Primärfase begünstigt diese.
Aus Freude an der Hamon und auch aus Freude am Schneidverhalten wähle ich also die Klingenform. Und auch der Stahl ist nach diesen Kriterien von mir gewählt. Ich verwende den nur noch schwierig und nicht mehr als Flachmaterial zu erhaltenen Stahl 1.1545-C105W. Dieser Stahl ähnelt dem Weißpapier-Stahl 2. Diesen Stahl findet man noch häufiger bei japanischen Stecheisen. Er ist einer der schärfsten und feinsten Stähle überhaupt. Er ist sehr leicht zu schärfen. Und er ist sehr empfindlich! Dies ist kein „Hau-drauf-Outdoor-Messer-Stahl“. Stähle, die besser Schockbelastungen und Querbelastungen aushalten, werden so scharf nicht. Und sie bilden nicht diesen schönen Hamon. Dieser Stahl ist also für feinste Schneiden und schönste Hamons! Also genau das Richtige für meine „Messer-Philosophie“.
Möge ein Messer von mir Ihnen so viel Freude bereiten, wie mir selbst!